Motivation

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Wem ist es noch nicht aufgefallen? Die Kameras auf den Straßen, in Geschäften, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, sogar in Schulen und am Arbeitsplatz nehmen von Tag zu Tag zu! Die Videoüberwachung ist dazu gedacht und geeignet, unser Leben zu überwachen, unser Handeln zu kontrollieren und unseren Widerstand dagegen und gegen all die Scheiße, die unser friedliches Zusammenleben sabotiert, zu unterdrücken. Die allgegenwärtigen Augen von Staat und Wirtschaft sind die sichtbarste Ausprägung einer umfassenden Überwachung; sie sind zusammen eines der tragenden Elemente dieser Gesellschaft, deren Sicherheitsbedürfnis darin besteht, das Privateigentum (das zum Großteil in den Händen einiger weniger ist) zu beschützen. Ob Krisengebiete, Grenzzäune, rassistische Sondergesetze, Verkehrswege, öffentliche Plätze, Mietskasernen, Fabriken und Geschäfte – sie alle sollen der Wirtschaft dienen und der freien Entfaltung keinen Raum bieten. Dazu brauchen die, die sie sich all das ungefragt angeeignet oder geschaffen haben, Videoüberwachung.

Kameras sind aber natürlich auch Ausdruck einer Gesellschaft, deren Individuen die Kontrolle über ihr eigenes Leben entgleitet. Geradezu hysterisch ist die Forderung nach mehr Kameras, wenn mal wieder irgendwo Islamisten vermutet werden, wenn sogenannte Extremisten das staatliche Gesetz missachten oder wenn es eine Schlägerei mal wieder in die Medien schafft.

Dass bei den „U-Bahnschlägern“ oder auch Vergewaltigern noch keine Kamera ein Verbrechen verhindert hat, ist jedem vernünftigen Menschen klar. Dennoch nutzen Politiker und die Überwachungs-Industrie jeden Vorfall, um mehr und noch bessere Kameras in der Öffentlichkeit zu installieren. Es geht so weit, dass schon Software existiert, die die hochaufgelösten Bilder nach Gesichtern und Bewegungmustern absucht. Wer unter diesen Augen ein Sicherheitsgefühl empfindet, muss verrückt sein. Die B.Z. lehrt uns im aktuellen Fall von Aufrüstung der Berliner S-Bahnhöfe anderes.

Ebenso beliebt für das Schüren von Ängsten sind angebliche Terroristen, die uns am liebsten alle in die Luft sprengen wollen. Abgesehen davon, dass das äußerst selten der Fall ist, sollte auch hier klar sein: niemand ist in der Lage, mit Videokameras Sprengstoffanschläge oder ähnliches zu verhindern. Dennoch kamen nach dem jüngsten Fall eines Bombenfundes sofort Forderungen nach mehr Kameraüberwachung.

Warum also hat der Staat ein so großes Interesse am Ausbau der Überwachungstechnologien im Allgemeinen und von Kameraüberwachung im Besonderen? Ein Blick nach London könnte Erklärungen liefern: als der Konflikt zwischen einer ganzen Generation von hoffnungslosen Jugendlichen und dem Staat nach der Erschießung eines Migranten durch die Polizei eskaliert, übernimmt die flächendeckende Überwachung der Stadt eine Staatstragende rolle. Anhand von Videobildern werden tausende Aufständische identifiziert und mit massiver Repression belegt. Durch Gefängnisstrafen, Geldstrafen und mediale Ächtung wird die von gesellschaftlichen Missständen genährte Bewegung komplett zerschlagen. Über die Art und Weise der Krawalle lässt sich streiten, nicht aber über das Recht von Unterdrückten, Ausgegrenzten oder Ausgebeuteten, für ihre Freiheit und Vorstellung von gutem Leben zu Kämpfen.

Vor derartigen Bewegungen hat der Staatsapparat zu Recht Angst und wehrt sich, um die Stabilität der Verhältnisse, welche auch immer die Stabilität der Wirtschaft sind, zu verteidigen. Es geht um Macht – und nicht um Werte und Rechte.
Also wehren wir uns gegen den Staat und gegen Konzerne und nehmen ihnen das Augenlicht! CAM OVER!